Ein Harmonium für Groß Fredenwalde

23.09.2023, Groß Fredenwalde | Am Samstag konnten es Interessierte in der Kirche in Groß Fredenwalde kennenlernen: Ein Harmonium mit bewegter Geschichte. Die Kirchengemeinde Gerswalde konnte das Instrument dank großzügiger Spenden vieler Gemeindemitglieder und Haushaltsmittel erwerben. Auch der Kultur- und Heimatverein e. V. Groß Fredenwalde beteiligte sich mit einem Zuschuss in Höhe von 1000€.  Hannes Ludwig, Kantor aus Prenzlau, präsentierte nicht nur das Instrument, sondern berichtete über die lebhafte Geschichte des Harmoniums, die vor knapp 100 Jahren in der Uckermark begann.

Das Harmonium ist heute nahezu vergessen. Dabei gab es Zeiten, in denen es populärer war als das Klavier. Wurden doch im 19. Jahrhundert teilweise weltweit mehr Harmonien gebaut als Klaviere! Das Harmonium sieht aus wie eine kleine Orgel mit zwei Manualen (Tastaturen) und wird durch zwei Pedale zum Leben erweckt: Durch regelmäßiges Treten wird ein Gebläse angetrieben, das wiederum mit seinem Luftstrom sog. Durschlagzungen aus Metall zum Schwingen bringt. Dadurch entsteht ein, der an ein Akkordeon erinnert. 

Neben dem Einsatz für Kirchenmusik, haben Komponisten schon lange Stücke bewusst für das Harmonium geschrieben. Hannes Ludwig gab dem Auditorium einen Einblick in die Breite des Repertoires und spielte neben einem Choral ein Werk von Sigfrid Karg-Elert. Dieser Komponist versuchte sein berufliches Glück als internationaler Harmonium-Solist mit einer Tournee im 19. Jahrhundert in den USA. Allerdings scheiterte er, weil er mit den großen Stars nicht mithalten konnte. Er starb 1933 und hinterließ eine Reihe von Werken für Harmonium, unter anderem “12 Impressionen für Harmonium, Op. 102″, aus denen Hannes Ludwig “Blasse Blume” präsentierte. 

Hannes Ludwig ist seit 2007 Kantor in Prenzlau. Ein Portrait über ihn ist auf den Seiten der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlau zu finden.  

Das gestiftete Instrument hat eine lebhafte Geschichte: Es stammt aus “Schiedmeyer Pianofortefabrik” in Stuttgart und wurde 1890 gebaut. Er verfügt über 5 Register und zwei Manuale. Nachdem es ursprünglich in Prenzlau eingesetzt wurde, kam es später in weiteren Gemeinden in der Uckermark zum Einsatz. Es endete unrühmlich auf dem Sperrmüll. Vermutlich ein Schicksal, das viele Harmonien teilten. Es ist Herrn Beck aus Gerswalde zu verdanken, dass das Instrument doch gerettet werden konnte. 

Bevor die Veranstaltung beim Austausch mit Kaffee und Kuchen endete, kam das Harmonium noch als Liedbegleitung zum Einsatz. Unter der Leitung von Pfarrerin Heidi Enseleit wurden gemeinsam herbstliche Lieder gesungen. Viele Besucher waren fasziniert von der spannenden Geschichte eines fast vergessenen Instrumentes mit einem so breiten Repertoire, das bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts in Kirchen und vor allem bürgerlichen Haushalten gepflegt wurde. Hannes Ludwigs abschließender musikalischer Rat: Tango! Das Harmonium sei dafür ein ideales Instrument, das die Melancholie der Tangomusik hervorragend zum Ausdruck bringe.